

ARTIKEL: OLTNER TAGBLATT (https://www.oltnertagblatt.ch/)
Von Jeremy Soland (Text)
und Bruno Kissling (Bilder)
26. Mai 2023
Sandra Bionda und Christine Gantert arbeiten seit 25 Jahren gemeinsam als Buchbinderinnen. Nun haben sie ihr eigenes Atelier in Winznau eröffnet. Über ihre Berufsjahre hat sich in der Branche einiges geändert.
Die Digitalisierung hat schon einige Opfer gefordert: Bücher, Ordner oder Kalender zum Beispiel. Deren Nutzung hat sich seit geraumer Zeit aufs Smartphone oder den Computer verlagert. Trotzdem eröffnen zwei Buchbinderinnen in Winznau ein Atelier und halten damit eine Handwerkskunst, deren Wurzeln bis ins Klosterwesen im Mittelalter zurückgehen, am Leben.

Sandra Bionda (links) und Christine Gantert beim Arbeiten im neuen Atelier.
Bild: Bruno Kissling
«Wir bieten Kontrast in einer Zeit, in der ein Neukauf meist lohnenswerter ist als eine Reparatur», sagt Sandra Bionda, die Inhaberin des Ateliers, bei einem Gespräch in Winznau. Der Leim, der zum Buchbinden benutzt wird, wird hier eigenhändig hergestellt. Der Mann von Sandra Bionda gestaltet im selben Gebäude seit Jahren Fasnachtslarven und verwendet dafür denselben Klebstoff.
Zusammenarbeit seit 25 Jahren
«Wir fertigen alle unsere Produkte in Handarbeit», sagt Sandra Bionda. Die beiden Buchbinderinnen produzieren Einbände und Broschüren, nehmen Veredelungen an Buchdeckeln vor oder reparieren Bücher. Ausserdem fertigen sie Kartonagen und erledigen Aufzieharbeiten, wie beispielsweise Kaschierungen oder Laminierungen.
Bionda und Gantert bilden nach 25 Jahren des gemeinsamen Arbeitens ein eingespieltes Team: «Wir haben unseren Beruf am selben Ort erlernt und seither immer zusammengearbeitet», sagt die Inhaberin des Ateliers.
Auf welches Werkzeug Sandra Bionda nicht verzichten könnte, steht für sie fest: «Das wichtigste Utensil in der Werkstatt ist aus meiner Sicht das Falzbein.» Dieses verwende sie, um zu falzen und zum Anreiben beim Leimen. «Der richtige Leim darf natürlich auch nicht fehlen», ergänzt sie.
«Niemand möchte mehr ein Bücherregal füllen»
«Die Digitalisierung hat vieles verändert, seit ich vor 34 Jahren den Beruf erlernte», sagt Bionda. Mittlerweile würden Design und Gestaltung am Computer stattfinden. Dem war noch kaum so, als sie mit der Buchbinderei begann. Ausserdem habe sich auch die Nachfrage verändert: Ordner und Kalender wurden digitalisiert; damit sank auch die Nachfrage. Dasselbe gilt laut Bionda auch für Bücher: «Niemand möchte mehr ein Bücherregal füllen.»
Damit nicht genug: Auch bei Fotoalben lasse sich ein Rückgang der Nachfrage beobachten. «Fotos werden nicht mehr eingeklebt, sondern digital aufbewahrt», hält Sandra Bionda fest. Ausserdem würden auch in den Klassenzimmern immer mehr Hefte und Bücher durch digitale Alternativen ersetzt.
Eine weitere Hürde im Geschäft, die sich im Laufe der Zeit etablierte: Auch die Material- und Maschinenbeschaffung ist schwieriger geworden. «Beispielsweise wird der Planax – diese Maschine wird zum Klebebinden verwendet – nicht mehr hergestellt», sagt Inhaberin Bionda. Und auch die übrigen Geräte sind nicht einfach zu besorgen gewesen, fügt sie an: «Teilweise mussten sie aus dem Ausland über Beziehungen besorgt werden.»

Begehrte Ware: Die Geräte waren laut der Inhaberin nicht einfach zu finden.
Bild: Bruno Kissling
Jedes Produkt ist ein Einzelstück
«Bis anhin sind wir mit dem Verlauf der ersten Monate sehr zufrieden», sagt Sandra Bionda. In der vergangenen Woche konnte das Atelier rund 20 Bücher ausliefern und hat wiederum über 20 in Auftrag genommen. «Natürlich haben wir aber noch Kapazität», sagt Bionda. Da sie mit ihrer Mitarbeiterin seit Jahren in der Branche tätig ist, «besassen wir bereits einen kleinen treuen Kundenstamm», führt sie aus.
Laut Christine Gantert gehören Notare, Bibliotheken oder Gemeinden zur Kundschaft des Ateliers. Es gebe aber auch Privatkunden: «Aktuell arbeite ich an einem Kundenauftrag für ein Rezeptbuch», sagt Gantert im Gespräch. Die Buchbinderin arbeitet insgesamt drei Tage pro Woche im Atelier.
Warum Privatkunden trotz der um sich greifenden Digitalisierung dem Atelier Aufträge geben, erklärt sich Sandra Bionda damit, dass die Langlebigkeit und die Individualität der Produkte geschätzt würden. «Unsere Produkte sind immer etwas Spezielles und nicht 08/15», sagt die Inhaberin selbstbewusst. Zum Firmenversprechen zählt, dass jedes Produkt ein Unikat ist, das auf die Bedürfnisse der Kundschaft angepasst wird.

Bücher können im Winznauer Atelier personalisiert eingebunden werden.
Bild: Bruno Kissling
Seit dem 1. April, gerade mal einen Tag nach dem Geburtstag von Sandra Bionda, ist das Atelier geöffnet. «Einen Eröffnungsevent haben wir noch keinen gemacht», so die Inhaberin. Trotzdem wurde die potenzielle Kundschaft aus der Region über das neue Angebot informiert. Die Planung begann rund ein halbes Jahr im Voraus. Dabei konnte Sandra Bionda auf die Unterstützung aus ihrem Umfeld zählen: «Das alles hat nur geklappt dank der Unterstützung von Christine und meiner Familie.»
Zum original Artikel des Oltner Tagblatts

Christine Gantert, Buchbinderin EFZ, und Sandra Bionda, die Geschäftsinhaberin, arbeiten seit 25 Jahren zusammen.
Bild: Bruno Kissling

Die gewünschten Wörter werden mit Bleisätzen auf die Einbände geschrieben.
Bild: Bruno Kissling

Sandra Bionda beschriftet die Frontseite eines Buchs in goldener Farbe.
Bild: Bruno Kissling

Verschiedenste Prägungen können sie und Christine Gantert im Atelier umsetzen.
Bild: Bruno Kissling

Gut Ding will Weile haben.
Bild: Bruno Kissling

Volle Konzentration bei der Arbeit.
Bild: Bruno Kissling

Das Falzbein (links unten) ist unverzichtbar für Sandra Bionda.
Bild: Bruno Kissling

Die beiden lassen im Atelier ein altes Handwerk neu aufleben.
Bild: Bruno Kissling